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Großer Schwarzer
Steinway & Sons ist Marktführer unter den Konzertflügelherstellern –
seit 1880 kann man in Hamburg verfolgen, wie aus über 12.000 Einzelteilen ein klangvoller Organismus entsteht
Gegenwehr ist zwecklos. Mit Gewalt zwängen starke Männer den meterlangen Holzstreifen in einzelne Presselemente. Dabei haben sie ihn doch vorher noch fast zärtlich wie einen Baumkuchen aus bald zwanzig Dickten aufgebaut. Ahorn auf Ahorn, dazwischen jeweils Leim wie die Béchamelsauce in einer Lasagne. Oben drauf kommt dann noch eine dünne Schicht Mahagoniholz. Das sind die Zutaten zu einem Rim, so nennen die Klavierbauer das Chassis ihres Instruments. Und das muss jetzt gegen seine Natur einer genauen Form folgen. Mit der Ruhe der Erfahrung setzt das Team in Hamburg-Bahrenfeld die Folterwerkzeuge an und überlässt dann Druckluft und Wärme die Arbeit. Drei Stunden dauert die Tortur und dann darf sich das getrimmte Werkstück fast ein halbes Jahr in Ruhe daran gewöhnen, demnächst den klingenden Rahmen für ein handwerkliches Luxusobjekt namens Steinway zu bilden.
Die große Bühne muss noch warten. Dieser Flügel von Steinway wird noch sorgfältig geprüft, bevor er das Werk in Hamburg-Bahrenfeld verlassen kann. Seit 1923 werden hier Klaviere gebaut. Der ausgewanderte Deutsche Heinrich Engelhard Steinweg hatte Steinway & Sons 1853 in New York gegründet.
Thomas Kurrer ist auch schon länger dabei im Traditionshaus am Rondenbarg. 1923 ist man hierher an die Hamburger Peripherie gezogen, da war er noch lange nicht geboren. Damals feierte Steinway & Sons allerdings schon seinen 70. Geburtstag und hatte mit zahllosen Patenten den Bau des Pianofortes revolutioniert. Die Wände im sonst eher schmucklosen Besprechungsraum sind mit Autogrammkarten und Fotos tapeziert. Kenner der Szene würden mit jedem Namen etwas anfangen können, der Laie bleibt eher am Antlitz von Alfred Brendel hängen oder einem witzigen Slogan: „Lieber ein steiniger Weg als böse Dörfer.“ Womit natürlich die Abneigung gegen die Konzertkonkurrenz gemeint ist: der noch traditionsreichere Klavierhersteller Bösendorfer in Wien, Gründungsjahr 1828. Es geht eben um Kulturgüter, die Kurrer mit fast aristokratischer Attitüde vertritt. „Der Klaviermarkt ist weltweit eher im Abwärtstrend“, gesteht der Präsident von Steinway & Sons worldwide. „Das liegt auch daran, dass wir selten Wiederholungskäufe verzeichnen. Unsere Produkte werden von drei Generationen gespielt.“ Klingt plausibel. „Bedenken Sie aber auch, dass der Kauf eines Flügels von Steinways keinen Wertverlust bedeutet. Ein Instrument, das wir 1990 für knapp 100.000 Mark verkauft haben, erzielt heute mindestens 70.000 Euro.“ Und dann zeigt uns Herr Kurrer den angrenzenden Auswahlraum; fast eine Halle, in der vielleicht Hundert abholbereite Steinways stehen, Pianofortes und Pianini, Konzertflügel und Klaviere, wobei letztere unter den ca. 1.500 gefertigten Instrumenten im Jahr nur einen geringeren Anteil ausmachen. „Nur wer einen Kaufvertrag bereits unterschrieben hat, kann hier sein Stück finden“, erklärt der Präsident. Im Gästebuch ist tatsächlich die halbe Welt vertreten. „Natürlich bemühen wir uns, dass alle Instrumente dieselben Standards erreichen, aber die Beziehung zwischen Spieler und Flügel ist voller Magie. Er muss probieren und die Wahl fällt meistens erstaunlich eindeutig aus.“
Das mag daran liegen, dass ein Flügel von Steinway & Sons wirklich einem Organismus gleicht. Über 12.000 Einzelteile werden im Laufe der Herstellung in eine Beziehung zueinander gesetzt und der größte Teil dieser Arbeit erfolgt, wie 1853, im Jahr der Gründung von Steinway & Sons, immer noch von Hand. Am Bauplan hat sich seitdem noch weniger verändert als bei den Produktionsmethoden. ... Zusammenfassung aus der "Living 01/2009" - Sie möchten die ganze Zeitschrift lesen? Kontaktieren Sie uns gerne >>HIER!