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Chronoswiss
Gerd-Rüdiger Lang liebt mechanische Uhren – und verhalf der handwerklichen Tradition mit seinem Unternehmen Chronoswiss zu Überleben
Er tickt nicht richtig. Das hat er selbst gesagt. Und wer mit Gerd-Rüdiger Lang spricht, stolpert öfters über Wahrheiten, die in ihrem Bekenntnischarakter überraschen. Solche Sätze fallen bei ihm, wie die krude Feststellung: „Rein technisch gibt es bei den mechanischen Uhren seit hundert Jahren keine Verbesserungen mehr.“ Seine Uhren würden deshalb auch hundert Jahre nachgehen, heißt es in seinen Werbeschriften, und dann erklärt er noch: „Früher wurden die besseren Uhren gebaut.“ Aussagen wie Aphorismen. „Ob es sich um eine Damen- oder Herrenuhr handelt, erkennt man am Träger“, sagt der ehemalige Uhrmacherlehrling aus Braunschweig in seiner trockenen Art.
Lang weiß, Worte zu setzen wie Zahnräder. Was sich anfänglich mit einem gewissen Witz umgibt, trifft immer den Punkt. „Ich war mit 37 arbeitslos, in einer Zeit, als es das noch gar nicht gab“, erläutert der Uhrmacher seine Biografie und fügt wenig später an: „Es war meine Chance, gerade diesen Einschnitt zu erleben, mit Vorerfahrungen in beiden Bereichen der Uhrenherstellung.“ Ja, aus der Gegenwart betrachtet rückt der rote Faden so manchen Zweifel in den Hintergrund. Aber nicht bei dem Gründer des Münchner Uhrenherstellers Chronoswiss, der Sechsundsechzigjährige mit dem Gespür für das Kontrazyklische erinnert sich genau: „Als mich mein Schweizer Arbeitgeber Jack Heuer 1980 entließ, glaubte ich auch nicht an die Zukunft der mechanischen Uhren; erst später wurde mir klar, dass die Zeitgenauigkeit allein kein Verkaufsargument mehr sein muss.“
Damals war mit dem Siegszug der Quarzuhr eine ganze Welt zusammengebrochen. Vor 500 Jahren hatte Peter Henlein in Nürnberg den ersten tragbaren Chronometer entwickelt und das Ticken in der Tasche und am Arm gehörte seitdem zum Leben dazu. Bis die Hightech ins Spiel kam und mit kalten Quarzkristallen das ganze historische Räderwerk überholte. „Bis dahin galt: Die genaueste Uhr ist die Beste“, sagt Lang. Aber wer organisiert sein Dasein schon im Zehntelsekundentakt? Die Begehrlichkeit auf die Quarzimporte aus Fernost weckte dann nicht zuletzt der günstige Preis, als man die technische Errungenschaft zum Massenprodukt weiterentwickelt hatte. Während man vorher zwischen Handaufzug und Automatik entscheiden musste, fragte man sich seit den Siebzigerjahren, wie lange die Batterie noch halten werde. „Die sind auch gern ausgelaufen“, erinnert sich Herr Chronoswiss, „bei der Reparatur musste man dann eben die Hälfte der Uhr einfach wegwerfen“.
Wegwerfen, verschwenden – mit diesen Begriffen kann man den Mann aus der Reserve locken, der Anfang der Achtzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts die Renaissance der mechanischen Armbanduhren fast allein vorangetrieben hat. Zeitmesser, in denen noch ein echtes Werk arbeitet, komponiert aus über 250 einzelnen Teilen – einer der schönsten Anachronismen, die es in unserer Kulturgeschichte gibt. Während das Wort „Nachhaltigkeit“ damals bei vielen noch auf taube Ohren stieß, hat er einfach mit seinem Handwerk weitergemacht und sich mit echten Uhren beschäftigt: „Mein Vater war sich in den Fünfzigerjahren noch sicher, dass es dafür immer einen Bedarf geben würde.“ Letztlich hatte er dann Recht behalten.
Schon oft hat Lang seine Geschichte erzählt, seinen ganz persönlichen Entwicklungsroman, der durch dessen positive Wendung durchaus etwas Erbauliches hat. Mehr oder weniger erzwungene Selbstständigkeit, Servicestation für die Chronografen seines ehemaligen Arbeitgebers Heuer, daneben Arbeit an alten Uhrwerken in antiken Standuhren, Erstaunen über einige Kunden, die lieber 100 Mark für die Reparatur ihrer vertrauten Armbanduhr zahlten, als sich für 70 einen neuen Quarzer mit Garantie zu kaufen, Vertrieb der verbliebenen mechanischen Uhrenkollektionen und dann: die eigene Marke. Diese entscheidende Phase spielte sich in einem schlichten Einfamilienhaus im Münchner Norden ab, „die Poliermaschine stand damals im Heizungskeller.“ 1984 ließ er sich dann den Namen „Chronoswiss“ patentieren, „das war nur möglich, weil die Schweizer Uhrenindustrie am Boden lag. Meine Frau kam aus der Schweiz und bis heute auch alle Bauteile unserer Uhren. Ich setzte auf Swiss made aus Bayern“...
Zusammenfassung aus der "Living 02/2009" - Sie möchten die ganze Zeitschrift lesen? Kontaktieren Sie uns gerne >>HIER!