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Der geniale Keramiker Jean-Baptiste Astier de Villatte lebt und arbeitet an der Loire in einer kreativen Wunderwelt
Ein unscheinbares Industriegebiet im Loire-Städtchen Chinon. Eine kleine Fabrikhalle aus den 1960er-Jahren. Davor ein Schild: Collection Regards. Nichts weist darauf hin, dass hinter dieser Nullachtfünfzehn-Fassade einer der ungewöhnlichsten französischen Designer unserer Zeit lebt und arbeitet: Jean-Baptiste Astier de Vilatte, ein Mann so charmant und schwungvoll wie sein klingender Name. Ein Mann, dessen bunte Träume aus Tellern, Skulpturen und Möbeln zu bestehen scheinen, die sich in den New Yorker Nobelkaufhäusern genauso gut verkaufen wie in Südkorea, Japan oder Kuwait. Ein Mann, der gern Barockmusik auf der Blockflöte spielt, der sich mit Marienstatuen umgibt und exotische Blumen im Schlafzimmer liebt. Er gilt selbst in der an Talenten reichen französischen Designer- und Kunstszene als Ausnahmebegabung. Astier de Villatte, Sohn eines Künstlers und gelernter Architekt, ist seit zehn Jahren kreativer Kopf des Unternehmens Collection Regards, für das er Geschirr und Dekorationsobjekte entwirft. In einem unverkennbaren Stil, der die Formensprache des Barock, des Klassizismus und des Empire neu interpretiert: leicht bizarr, anmutig und verspielt, mit versteckten Zitaten und Hommages an die Kunstgeschichte. Monsieur Astier de Villatte steht zum Empfang freundlich lächelnd an der Tür, eine schmale Gestalt mit grauem Zopf und einem Kruzifix um den Hals, gekleidet in selbst entworfene Minimalismus-Couture. „Venez Madame, kommen Sie“, sagt er und führt seinen Besuch in die Privatgemächer im Vorderhaus seiner Firma, mit der souveränen Höflichkeit eines Prinzen, der durch sein Reich geleitet.
Als er die Doppeltüren zu seiner großen Suite öffnet, riecht es köstlich nach Aniskeksen und Kardamom, es leuchten Bilder, Heiligenstatuen, skurille Objekte aus dem Morgenland, bemalte Möbel vom Flohmarkt, dazwischen graue Vasen mit weißem Emailleüberzug, der aussieht wie lackierter Zuckerguss. Willkommen in der wunderbaren Welt des Astier de Villatte. Das Loft ist die selbst geschaffene Bühne für einen Mann, der in Fantasiebildern lebt und mit seinen Visionen einen neuen französischen Keramikstil erfunden hat: Réinventer – wiedererfinden, nennt er seinen kreativen Ansatz. Wiedererfinden, neu erfinden will er Karaffen, Teller und Suppenschüsseln, Obstschalen und Vasen, die aus Stillleben berühmter flämischer und französischer Meister zu stammen scheinen – wäre da nicht ein besonders schräger Schwung des Henkels, eine ungewöhnliche Kante der Tülle, ein Bogen, der die Suppenschüssel aussehen lässt, als sei sie leicht betrunken.
Exotische Frösche und Schmetterlinge verstecken sich zwischen großen Blüten und Blättern und machen diesen Keramik-Übertopf zum Blickfang Ihres Zuhauses!
In einem sorgsam angeordneten Durcheinander von Tischen, Konsolen und Fauteuils, Porträts aus dem 19. Jahrhundert, Blumenvasen und Ketten thronen von ihm entworfene Damenbüsten mit rot geschminkten Bäckchen, blicken Affen unter troddelbesetzten Schirmen in die Ferne, sinnieren Engel mit himmelblauen Flügel vor sich hin.
Bei Regards möchte man nur eins tun: „regarder“ – „schauen, staunen“. „Ich liebe diese offenen Räume der ehemaligen Fabrik, die ich immer wieder anders aufteilen und umgestalten kann“, sagt der 47-jährige Mann und blickt mit seinen warmen braunen Augen liebevoll auf all die Objekte, die er gesammelt, verändert und neu geschaffen hat. „Für mich ist mein Leben meine Arbeit und meine Arbeit mein Leben, verstehen Sie? So ist auch meine Umgebung gestaltet.“ Angesichts der vielen christlichen Symbole, die seine Umgebung schmücken, kommt er bald auf die Rolle der Religion zu sprechen. „Ich habe eine starke Beziehung zum Katholizismus“, sagt er. „Natürlich sind Kreuze, Marienbildnisse und Heiligenfiguren erst einmal Ornamente und Kunstwerke, aber sie öffnen den Weg zu etwas Größerem, zu Glauben und humanistischem Denken, das gehört alles zusammen, so wie Kreativität und Mystik, durch die man herausfindet, was andere wollen und wer ich bin!“ ...
Zusammenfassung aus der "Living 06/2007" - Sie möchten die ganze Zeitschrift lesen? Kontaktieren Sie uns gerne >>HIER!