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Eine filmreife Straße
Mit der Gran Vía wollte Madrid zur Weltstadt werden. Trotz seiner prunkvollen Architektur wurde der Boulevard eine Straße für alle Schichten. Am Broadway Madrids wurde spanische Kinogeschichte geschrieben Wenn jemand sagt, etwas sei großes Kino, dann meint er damit, dass dieses Etwas so bunt und beeindruckend, so schillernd und überwältigend ist, dass es eigentlich nur im inszenierten Leben des Kinos, nicht aber im grauen Alltag seinen Platz haben kann. Nachdem Jesús Herrero die schwere Tür der Sala 1 geöffnet und die Lichtschalter umgelegt hat, kommt einem eben diese Redewendung vom großen Kino in den Sinn. Der Raum ist ebenso riesig wie still. Kein Mensch sitzt auf einem der roten Sessel, ‒ bis zur ersten Vorstellung dauert es noch einige Stunden. Obwohl es still ist, glaubt man im Hinterkopf den breiten Sound einer Schlussszene zu hören, das Echo galoppierender Pferde irgendeines Wildwestklassikers, die Schüsse eines Actionfilms, eine Verfolgungsjagd. Und doch ist es nicht die riesige Leinwand, die an ein schlafendes Orakel erinnert, das jeden Moment zum Leben erwachen könnte, und die die Stimmung des Saals beherrscht. Es ist der Raum als Ganzes, seine Formen und Farben, seine lichthinterlegten Deckenreliefs, die so viel Pathos, so viel Volumen aufbieten, als sei diese Architektur selbst der Soundtrack zur Geschichte des Kinos im 20. Jahrhundert. An diesem Morgen fällt die übertragene Bedeutung des großen Kinos auf ihren Ursprungsort zurück.
Das Cine Capitol in der Gran Vía 41 in Madrid eröffnete 1933. Es gibt drei Säle, der größte, Saal 1, bietet knapp 1400 Zuschauern einen weich gepolsterten Sessel. Mit der ursprünglichen Bestuhlung passten sogar 1864 Zuschauer hinein. „Wer früher in Madrid ins Kino ging“, weiß Kinoleiter Herrero, „kam in die Gran Vía. Vor vierzig Jahren gab es hier noch 13 Häuser.“ Das hat sich geändert. Wie in anderen Ländern Europas auch, hat sich die Kinolandschaft von den oftmals prachtvollen Lichtspielhäusern in die praktischen Multiplexkinos verlagert. Heute gibt es nur noch vier Häuser in jener Straße, die sich gerne Madrids Broadway nennt . Unbeeindruckt von dieser Entwicklung sonnen sich die Produzenten und Regisseure gerne im Glanz der Vergangenheit der Gran Vía. Das Cine Capitol ist vielleicht das beliebteste Premierenkino.
Als 1919 die erste Metro-Linie ihren Betrieb aufnahm, war die Gran Vía eine von drei Stationen. Zehn Jahre zuvor wurde mit dem Bau des Prachtboulevards begonnen, der nach dem von Vorbild von Paris als Schneise durch die Altstadt angelegt wurde. Die 1340 Meter lange Gran Vía ist Madrids berühmteste Straße mit Geschäften, Kinos, Musicaltheatern und Lokalen.
Es ist fast Mittag. Das oft klare und harte Licht Zentralspaniens muss sich an diesem Tag einen Weg durch graue Wolkenschichten suchen. Nur ab und an wandert ein Lichtfleck über die üppig dekorierten Fassaden des Prachtboulevards. Es sieht aus, als wäre irgendwo hinter dem Grau ein großer Bühnenscheinwerfer versteckt. Die große Straße ist nicht nur Spaniens altehrwürdige Kinomeile, sie ist selbst ein filmreifes Spektakel.
Sieben Häuser mussten abgerissen werden, damit das Metrópolis-Gebäude ab 1907 erbaut werden konnte. Es markiert den Beginn der Gran Vía und ist zugleich eines der Wahrzeichen von Madrid. Die oberen Geschosse sind mit Säulen geschmückt, auf denen allegorische Figuren des Handels, der Landwirtschaft, der Industrie und des Bergbaus ruhen. Gegenüber des Metrópolis-Gebäudes in der Calle Alcalá, im Kunstverein Circulo de Bellas Artes, findet sich eines der schönsten Cafés der Stadt. Die Gebäude des ältesten Teils der Gran Vía sind aufwendig dekoriert. Das Telefónica-Haus rechts im Bild war mit knapp 90 Metern Höhe der erste Wolkenkratzer Europas. Im Spanischen Bürgerkrieg arbeiteten von hier aus die Korrespondenten Ernest Hemingway und John Dos Passos.
Spricht man über den Charakter oder gar das Wesen einer Stadt, landet man unwillkürlich beim Vorurteil. Und doch drängt sich dem Besucher oder Bewohner einer Stadt mitunter ein Gefühl auf, ein spezifisches Moment, das, obwohl es nur ein minimaler Ausschnitt ist, doch, sozusagen auf magische Weise, das Ganze enthält. Diese Essenz einer Stadt kann sich an einem Café festmachen, das man einmal vor Jahren in den frühen Morgenstunden besucht hat, oder an einer Lichtstimmung oder einem Regenschauer, den man erdulden musste, an der Art, wie die Menschen sich durch ihre Stadt bewegen, oder am Geruch der Metro-Bahnen. Eine Stadt spricht, auch wenn man nicht verstehen kann, was sie sagt.
Vielseitiger Popelineblazer mit leichtem Stretchanteil für optimalen Tragekomfort. Der modisch tiefe Reverskragen und die dekorative Taillenborte aus Ripsband schmeicheln der Figur. Der 2-Knopf-Einreiher wird zusammen mit dem passenden Rock zum lässigen Kostüm in der warmen Jahreszeit.
Um ein Gefühl zu bekommen, was Madrid ausmacht, oder an Zeichen aussendet, braucht man nur auf der Gran Vía zu spazieren. Den Bewohnern der 3,2 Millionen-Stadt passiert das ständig. Zumindest denen, die im Zentrum leben. Die Gran Vía hat sich in das Bewusstsein der Madrilenen als die Straße eingebrannt, an der man nicht vorbeikommt. Das heißt im Lauf eines Tages kreuzt der Madrileño sie, passiert sie auf der Rückbank eines Taxis, schlendert unter den prunkvollen Fassaden entlang oder gehört zu den Menschen, die am Wochenende eins der Kinos oder Musicaltheater besuchen. Die Gran Vía sagen Madrilenen wie Jesús Herrero, der Mann aus dem Capitol-Kino, sei die emblematischste Straße der Stadt. Das Wort „emblematisch“ wird in Spanien sehr häufig benutzt. Übersetzt heißt es „sinnbildlich“, aber das trifft nicht ganz die Art und Weise, wie es gebraucht wird. Das Sinnbildliche ist, allein dadurch, dass es sinnbildlich ist, schon großartig. So ist es auch mit der Gran Vía. Wie auch immer die Realität aussehen mag, am Glanz und dem Ruhm des Boulevards ändert das nichts ...
So monumental hat sich Miquel de Cervantes seine tragischen Helden Don Quijote und Sancho Pansa sicher nicht vorgestellt. An der Plaza de España feierte der Franquismus die Größe eines Staates, der vom Ausland weitgehend isoliert war. Bis 1967 war die Torre de Madrid das höchste Gebäude Europas.
Zusammenfassung aus der "Living 02/2012" - Sie möchten die ganze Zeitschrift lesen? Kontaktieren Sie uns gerne >>HIER!